Five Conversations with Taxidermied Animals
2017 Photos und Transkripte in einer Vitrine + Edition (108 Exemplare)
The blackbird sings its importance;
the babblers dance their shining prestige;
the storytellers crack the established disorder.
– Donna Haraway, Staying with the Trouble
Alle nicht-menschlichen Tiere in naturhistorischen Sammlungen haben eine Geschichte. Oftmals ist ihre Geschichte (wenn auch unfreiwillig) eng mit der von menschlichen Tieren verbunden – viele von ihnen kommen aus Zoos. Die klassische Museums-Narration stellt, ebenso wie die der Zoos, Distanz zu Tieren als historischen Subjekten her, indem sie ihre Körper als Exemplare einer Spezies präsentiert. In Five Conversations with Taxidermied Animals versuchen wir den Blick auf die tierlichen Individuen hinter den Präparaten zu richten – auf ihre Agency, ihre Wirk- und Handlungsmacht. Dafür experimentieren wir mit Erkenntnismethoden, die Verbundenheit erzeugen. Eine Verbundenheit, die wir dringend brauchen, um zu verstehen, was wir sehen.
Die Frage danach, wie tierliche Biographien erzählt werden können, beschäftigt vor allem Historiker*innen und Sozialtheoretiker*innen in den Human Animal Studies. Da Tiere in der Regel nicht für sich selbst sprechen können, ist Einfühlung in die tierlichen Subjekte – das radikale Einnehmen ihres Blicks – eine Option, ähnlich wie bei menschlichen Individuen, deren Stimme von der Geschichtsschreibung ihrer Zeit ignoriert oder unterdrückt wurde. Was aber wäre, wenn nicht-menschliche Tiere doch mit uns sprechen können?
Tierkommunikator*innen wie Anna Breytenbach oder Penelope Smith nutzen mentale Techniken wie Telepathie, um mit Tieren ins Gespräch zu kommen. Sie kommunizieren mit Wildtieren, um sie vor Bränden zu warnen, helfen bei der mitunter schwierigen Integration von rescued animals in bereits bestehende tierliche Gruppen in Auffangstationen und sie vermitteln zwischen Gefährtentieren und ihren Menschen. Dabei überschreiten sie auch die Grenze zwischen Leben und Tod, wenn sie bspw. Verbindungen zwischen Menschen und verstorbenen Gefährtentieren herstellen.
Die Freie Universität Tbilisi besitzt eine kleine Sammlung sowohl naturhistorischer als auch veterinärmedizinischer Präparate und ermöglichte es uns, einen ersten Versuch in dieser Richtung zu unternehmen. Nana Ramishvili, die Direktorin der Sammlung und ihre Kollegin Anna Veshaguridze waren unserer Idee gegenüber offen und unterstützten unsere Arbeit durch ihr Engagement. Aufgrund der Zusammenlegung verschiedener Fakultäten und Sammlungen nach der Unabhängigkeitserklärung Georgiens und der Auflösung der GSSR (Georgisch Sozialistischen Sowjetrepublik), war ein Großteil der Aufzeichnungen zur Provenienz der Präparate verloren gegangen. Es war zwar bekannt, dass die meisten Tiere aus dem Zoo von Tbilisi stammten, aber nichts über die Umstände, wie sie in die Sammlung gekommen waren, woran sie bspw. gestorben waren, wer ihre Körper präpariert hatte etc.
Für unsere Arbeit verwendeten wir ein Skript, das uns eine Tierkommunikatorin zur Verfügung gestellt hatte – eine Art Guided Meditation (auch Tiermeditation genannt), in der wir mit den Tieren, die uns bei der Erkundung der Sammlung persönlich „angesprochen“ hatten, auf höfliche Weise Kontakt aufnahmen.Um uns der Sammlung zu nähern, fotografierten wir zunächst eine Vielzahl der präparierten Körper. Später wählten wir jeweils ein Bild von jedem Tier, mit dem wir Kontakt hatten, für die Präsentation aus. Bei den Texten handelt es sich um Aufzeichnungen/Transkripte der Wahrnehmungen, Imaginationen und Erkenntnisse, die wir über die Einfühlung in die Körper der tierlichen Individuen gewonnen hatten. Für kurze Zeit waren wir Gestaltwandler, wir erlebten die Welt aus der Sicht dieser Tiere.
Parallel zu unserer Forschung gelang es auch der Museumsleiterin, Anna Veshaguridze mehr und mehr über die Präparate in Erfahrung zu bringen. Ein älterer Professor, den noch niemand befragt hatte, war ein Zeitzeuge des Eingangs der Objekte in die Sammlung und konnte aus seiner Erinnerung Auskunft geben. So entstand allmählich ein gemeinsames Bild. Ob es sich bei unseren Aufzeichnungen um Konstruktionen/Fiktionen oder um telepathisch gewonnene Erkenntnisse handelt, hängt in gewisser Weise davon ab, was wir für möglich halten. Vieles von dem, was wir in den Meditationen erfahren haben, stimmte mit dem überein was Anna parallel zu uns recherchiert hatte. Aber auch wenn wir poetischen, telepathischen oder schamanistischen,Praxen als Erkenntnismethoden eher skeptisch gegenüber stehen, können sie uns dennoch ermöglichen Dinge zu sehen, die uns zuvor verborgen waren – und das sind manchmal die Offensichtlichsten.
Wir danken der Freien Universität Tbilisi, insbesondere Nana Ramishvili (Director of Life Science Collection) und Anna Veshaguridze (Museums Manager), für die vertrauensvolle Zusammenarbeit und den nicht-menschlichen Tieren, die uns für diese Arbeit inspirierten, für das Teilen ihrer Bilder, Imaginationen, Gefühle und Gedanken.
Kuratorin: Maria Wildeis
Gefördert von: Frauenkulturbüro NRW