Die Gewerkschaft Handel-Banken-Versicherungen hatte 1992 junge Künstlerinnen und Künstler eingeladen anlässlich der Eröffnung ihrer neuen Hauptverwaltung eigene Projekte im Rahmen einer Ausstellung zu verwirklichen. Unser Projekt sollte diesem Neuanfang speziell im Hinblick auf den Umgang mit junger Kunst Rechnung tragen – eine Standortbestimmung vornehmen, die die Erwartungen und – so vorhanden -,  Bereitschaft sich auseinanderzusetzen dokumentieren sollte. Gleichzeitig war uns daran gelegen pauschale Begeisterung wie “alle Menschen brauchen Kunst und Kultur” oder “für den Künstler gibt es nichts wichtigeres als seine Werke der Öffentlichkeit zu präsentieren” genauer zu hinterfragen.
Um ernst genommen zu werden musste unsere Umfrage repräsentativ sein, sowohl was ihr äußeres Erscheinungsbild anbetraf (die Arbeit wurde im Großen Konferenzraum der Gewerkschaft installiert) als auch in der Auswahl der Gesprächspartner. Wir sprachen mit 40 Personen – 32 davon Mitarbeiter der Gewerkschaft, vom Verwaltungsangestellten bis zum Gewerkschaftsvorsitzenden und mit 8 von 15 der teilnehmenden KünstlerInnen.
Nach anfangs ausgewählten Gesprächspartnern aus dem Kulturressort gingen wir unsere eigenen Wege durch die Institution. Den Versuch einen fest gefügten Fragenkomplex anzuwenden mussten wir bald aufgeben, da der Zugang zu unseren Gesprächpartnern oft sehr unterschiedlich war. Dezidierte Meinungen über die gesellschaftliche Funktion der Kunst wechselten sich ab mit sehr persönlich formulierten Wünschen und Erwartungen und führten von der Frage nach der Neuorientierung im Umgang mit Kunst weiter hinein in einen seit kurzem angelaufen Strategieprozess, der den Standort der Gewerkschaft als gesellschaftliche Institution insgesamt neu bestimmen soll.
Der Zusammenbruch der sozialistischen Staaten und das wachsende Desinteresse der eigenen Mitglieder stellte den Anspruch auf politische Avantgarde zunehmend in Frage (“…mit Idealen ist heute kein Blumentopf mehr zu gewinnen”). Notwendige Konsequenz erscheint die Neuorientierung hin zum Dienstleistungsunternehmen.Besonders augenscheinlich wird dieser Vorgang am eigenen Presseorgan, das sich von einem ästhetisch sehr sachlich gehaltenen Nachrichtenblatt hin zu einer Monatszeitschrift entwickelt hat, deren äußeres Erscheinungsbild sich an Lifestylemagazinen wie “Wiener” oder “Tempo” orientiert.
In diesem Zusammenhang wird auch das traditionelle Bild des Künstlers in der Gewerkschaft, der bislang eingebunden in die gewerkschaftliche Arbeit gemeinsam mit anderen politische Ziele formuliert und seinen Beitrag zur Gesellschaftskritik leistet, ( “das gute alte Politplakat” ) ersetzt durch ein Künstlerbild, dessen neue Qualitäten jetzt als Individualität, Phantasie, Freiheitsdrang und gegeben falls auch Unmoral definiert werden.

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