L’idée vient en parlant
Die beiden miteinander kommunizierenden Stimmen – eine männliche und eine weibliche – gehören zu menschlichen Figuren, die durch eine graue, nächtliche Hügellandschaft wandern – ein romantischer Spaziergang bei Vollmond. Die stereotypen Bewegungen der stilisierten Körper und ihre monotonen Stimmen machen deutlich: es handelt sich um künstliche Wesen – Avatare aus den virtuellen Figurenschmieden des Computerprogramms „Avatar-Studio“.
Ihr Gespräch beginnt bei scheinbar alltäglichen Themen – dem Zusammenleben mit Tieren, mit Menschen und mit dem Computer. Was sind die Unterschiede in der Begegnung mit diesen „Wesen“? Was geschieht, wenn ein geliebtes Tier, ein geliebter Mensch stirbt? Ist es legitim seine ganze Zeit mit Maschinen zu verbringen? Sind chat communities echte Gemeinschaften? Wie verhält es sich mit Gruppen und Systemen in der „realen“ Welt? Sind gesellschaftliche Utopien, ist Paranormales ernst zu nehmen? Ist es möglich, politisch-soziale Machtsysteme damit zu unterwandern? Und schließlich: Welches ist die bessere Gesellschaftsform? Das amerikanisch-individualistische Prinzip – repräsentiert durch Captain Janeway und die Besatzung des Raumschiffs Voyager in der Serie Star Trek – oder die sozialistisch-kollektive Form des Zusammenlebens – ebenfalls in Star Trek vertreten durch die Borg? Das Gespräch endet da, wo es begonnen hat, bei dem Gefühl der Fremdheit in der Begegnung mit den Tieren.
In den beiden Avataren die virtuellen Repräsentanten ihrer Erschaffer zu vermuten, ist naheliegend. Seit 1991 entwickeln Ute Hörner und Mathias Antlfinger ihre Arbeiten ausschließlich gemeinsam – im intensiven gegenseitigen Austausch. Die Themenkreise aus Soziologie, Philosophie, Medientheorie und (Künstler-)Alltag, die in dem Gespräch zwischen den Avataren berührt werden, und auch das Aufgreifen von Motiven aus Literatur und Film – oft aus Science Fiction, Märchen und Mythen – spielen in vielen Arbeiten des Künstlerpaars eine wichtige Rolle. Ab wann und auf welche Weise jedoch greifen sie auf die jeweiligen Themenfelder und Motive zurück? Welche Rolle spielen der Dialog, spielen Sprache und Text überhaupt in den Arbeiten? Lässt sich eine Entwicklung erkennen? Und worauf schließlich verweist das Gefühl von Einsamkeit und Tristesse, das sich bei der Betrachtung der Arbeit „L’après-midi d’un avatar“ einstellt?
Der Dialog als Rechercheinstrument
Annette Tietenberg bezeichnete 1999 „das Zwiegespräch“ als die „spezifische künstlerische Methode“ von Hörner/Antlfinger, „die sie anwenden, um den aktuellen gesellschaftlichen Status des Künstlers zu erforschen“.[2] Dies zeigen schon ihre ersten gemeinsamen Arbeiten: die Videorecherche „Corporate Image Linked“ zum AEG-Kunstpreis Ökologie (1991) und eine von der Gewerkschaft Handel-Banken-Versicherungen (HBV) initiierte Ausstellung mit dem Titel „Neubauüberprüfung“ (1992). In beiden Fällen ist das Interview Instrument der Untersuchung. Standen in der Arbeit über den AEG-Kunstpreis die jeweiligen Ziele und Motivationen der beteiligten Künstler, Juroren und Unternehmensvertreter im Fokus des Interesses, wurde in „Vierzig Gespräche über Kunst und Arbeit“ innerhalb der HBV-Belegschaft nach der Aufgabe von Kunst in einer Gewerkschaft gefragt, die immer mehr von ihren alten Idealen abrückt und sich mittlerweile selbst eher als Dienstleistungsunternehmen versteht.
Die künstlerische „Auswertung“ erfolgte auf jeweils unterschiedliche Weise. Das gesammelte Bild- und Tonmaterial der AEG-Arbeit wurde nach den Gruppen der Gesprächspartner geordnet. Über Monitore mit Kopfhörern konnte sich der Betrachter über die sehr unterschiedlichen Interessen des Kunst- und Wirtschaftssystems und die damit für den Künstler verbundenen Probleme und Zwänge informieren. Die Ergebnisse der HBV-Arbeit hingegen flossen in einer großen Fotowand zusammen, auf der, ohne Rücksicht auf gewerkschaftsinterne Hierarchien, Ausschnitte der transkribierten Interviews mit Porträtfotos der jeweiligen Gesprächspartner montiert waren – allein durch ihre Anordnung und durch die Offenheit der nebeneinandergestellten Aussagen bereits eine Provokation .
Fiktion als ästhetisches Mittel im Dialog mit dem Betrachter
In dem 1997 entstandenen interaktiven Fernseh-Puppenspiel „Monokroms“ (1997) ist die Präsentationsweise dann deutlich komplexer. Nun werden Fragen wie die Bewahrung der Integrität des Künstlers, seine sozialen Aufstiegschancen oder seine Profilneurosen von weißen Handpuppen, den Charakteren Arbeiter, Mädchen, Hund und Mrs. Spock, diskutiert. Den Ausgangspunkt bilden vom Betrachter über ein Interface aufrufbare Geschichten aus Alltag, Kultur und Unterhaltung – von Mao Tse Tung bis Siegfried und Roy. Kein Gespräch führt zu einer wirklichen Lösung, und im „nicht enden wollenden Diskurs“, wird „das unlösbare Dilemma eines sozial engagierten Künstlers sichtbar, der stets von den Klischees profitiert, die er zu überwinden sucht.“[3]
Schon in ihrer ersten Computerinstallation „possible selves“ (1994) hatten Hörner/Antlfinger mit ähnlich komplexen Interaktionsmöglichkeiten experimentiert. Wie in einem adventure game kann der an einem schweren Schreibtisch vor seinem Monitor sitzende und zum Psychologen verwandelte Betrachter die Fälle verschiedener (fiktiver) Künstler studieren. Er dringt auf für ihn selbst nicht nachvollziehbaren Wegen in immer tiefere Schichten eines undurchschaubaren (da teilweise eigendynamischen) Systems vor und stößt dabei etwa auf karikierte buddhistische Mönchsfiguren, die sich über den Sinn des „Neuprägens“ durch LSD unterhalten, oder er begegnet einem jungen Künstler, der – Pasolinis Künstlermonolog aus „Teorema“ rezitierend – an dem Anspruch verzweifelt, ständig Neues, nie Dagewesenes schaffen zu müssen. Schließlich wird eine Diskussion zum Thema „Utopie der Kunst“ an der Düsseldorfer Akademie eingeblendet, die sich inhaltlich eigentlich nur wenig mit Kunst, dafür aber umso ausführlicher mit der Bedrohung des Menschen (und Künstlers) durch Technik beschäftigt.
Unschwer lassen sich die mehr oder weniger willentlich aufrufbaren Ebenen dieser Arbeit als Teile der komplexen Strukturen eines Künstlerbewusstseins lesen, das Sinn und Unsinn des eigenen Tuns vielstimmig hinterfragt. Die zitathaft eingestreuten Texte wie etwa der von den Mönchen zitierte Ausschnitt aus Timothy Learys „Exo Psychology“ (1977) werden mit neuen Figuren verbunden und auf diese Weise aus dem ursprünglichen Kontext gelöst. Der Dialog findet jetzt direkt mit dem Betrachter statt, an dessen kulturelles Wissen appelliert wird. Die Sprache ist nicht mehr „engagiert“ wie in den frühen Interviewarbeiten, sie ist ästhetisches Mittel und lässt den Betrachter – auf inhaltlicher wie formaler Ebene – die komplexe und auch ungeklärte innere Situation des Künstlers auf der Suche nach seiner Rolle im „Betriebssystem Kunst“ nacherleben.
Die Ausstellung „Two Lives. Dialogues“ (1999) in der NGBK zog dann – dialogisch – Bilanz über zehn Jahre künstlerische Arbeit mit den neuen Medien. E-Mail-Interviews mit Künstlern und Wissenschaftlern zu der Frage, wie der Umgang mit dem Computer ihr Leben und ihre Arbeit verändert habe, gaben Auskunft über die Zeit vor und nach der „digitalen Revolution“. Das Angebot, mit künstlichen Intelligenzen im Netz – sogenannten Chatterbots – und mit Fischen in einem Aquarium zu kommunizieren, ließ den Besucher selbst die Unterschiede in der Begegnung mit einem virtuellen und einem lebenden Wesen beurteilen. Und in den ironischen Hörspieldialogen der Installation „Fuzzy & Logic“ kam der Medienkünstler mit seiner Angst zur Sprache, den „ganzen schönen Abstand zu verlieren“ – wenn denn bald „alle Medienkünstler geworden sind“…
Bildsprache der Mythen und Konstruktion von Wirklichkeiten
Die nach 1999 entstandenen Arbeiten von Hörner/Antlfinger unterscheiden sich dann in ihrer „poetischen“ Grundstimmung und der Betonung des Bildhaften deutlich von den früheren. Stärker wird mit Hilfe großer Projektionen an das Empfinden des Betrachters appelliert. Und auch der Umgang mit Sprache bekommt durch die Arbeit mit eher literarischen Texten eine neue Dimension.
Noch in der Ausstellung „Two Lives. Dialogues“ tauchen mit der zentralen Installation „Schneewittchen und Zwerge“ erstmals märchenhaft-mythische Motive auf. Eine große, weibliche Figur legt wie eine Schutzmantelmadonna ihr weites Gewand über sieben Macs der legendären Serie SE 30 – einst Inbegriff der „Universalmaschine“. Auf ihren Screens sind Zwerge zu sehen, die als Repräsentanten der Artes Liberales ihre jeweiligen Kunst-Stücke vorführen. Vergangenes und Zukünftiges ist in diesem „Zwitterwesen aus Märchenfigur und Science-Fiction-Queen“ [4] mit ihren heute liebgewonnenen und einst so futuristisch anmutenden Technik-Relikten gleichermaßen präsent.
In der interaktiven Computerinstallation „Modell Juvenile“ (2002) gehen Vergangenheit und Zukunft eine ähnlich ungewöhnliche Verbindung ein: Das Ende des 17. Jahrhunderts eingerichtete pietistische Waisenhaus August Hermann Franckes aus Halle ist in ein dunkles, großes Raumschiff auf seinem weiten Weg in eine ungewisse Zukunft verlegt. Das tiefe Dröhnen seines Antriebs weckt bedrohliche Assoziationen an Ridley Scotts „Alien“ (1979), und tatsächlich scheint mit den Bewohnern – den Waisenkindern – in ihren futuristisch mit Notebook und Schlafkojen ausgestatteten Zellen etwas geschehen zu sein: Sie liegen regungslos auf dem Boden oder vornüber gebeugt auf ihren Schreibtischen – schlafend, betäubt, tot? Die Heilkräuter im Garten des Holodecks scheinen jedenfalls ebensowenig zu helfen wie die großen Tabletten – die gängigsten Psychopharmaka – die lautlos durch die unendlichen Gänge fliegen. Oder sind gerade sie der Auslöser des beklemmenden Zustandes? Ganz oben auf dem Schiff thront die Rekonstruktion von Sigmund Freuds Sprechzimmer, mit seinem prasselnden Holzfeuer im Kachelofen eher harmlose Puppenstube denn psychoanalytische Praxis. Nur der „Tamburine Man“, der beim Gleitflug der Kamera durch die Zellen erklingt und dessen Worte sich wie Friese und Zierleisten über Wände, Fenster- und Türrahmen fortschreiben, dringt als blasse Erinnerung an Zeitlichkeit und Leben in die einsame Stille und verheißt melancholisch ein wenig Trost.
In der Installation „Infinite Land“ (2004) wird die Sprache des Mythos schließlich zu einer zweiten, dem computergenerierten Bild „parallel geschaltenen“ Ebene, die verschiedenste, oft unerwartete Bezüge zum Bild herstellt. Der Betrachter blickt hier, bequem auf einen 70er-Jahre-Sofa liegend, auf ein breites Billboard, das eine in gedämpfte Farbtöne getauchte, stilisiert wirkende Industrielandschaft zeigt. Zwei virtuelle Raben fliegen – den Betrachter leitend – zügig, aber mit sanftem Flügelschlag über das hügelige, von schnurgeraden Autobahnen zerteilte Land. Fernsehtürme, Fabriken oder auch Atomkraftwerke wechseln ab mit Strommastenketten, Windradfeldern oder Hochhausagglomerationen. Immer neue Landschaftsformationen treten am Horizont in Erscheinung, werden überflogen und verschwinden wieder. Leben ist keines zu erkennen. Doch ragen vereinzelt überproportioniert große Tafeln aus der Landschaft hervor – Abbilder des Billboards, auf das man gerade blickt. Sie zeigen Zeichnungen aus Alex Comforts 70er-Jahre-Bestseller „Joy of Sex“. Ohne jeden Anhauch von Lust oder Erotik, wirken sie wie zeichenhafte Verweise darauf, dass es hier etwas wie Leben oder „Zeugung“ geben könnte. Die gedämpfte, matte Farbigkeit, der ruhige Flug der Vögel und die idealisiert-konstruiert erscheinende, „unendliche“ Landschaft tauchen die ganze Szenerie in eine melancholische, meditative Ruhe, in eine an Traumzustände erinnernde Stimmung.
Eine männliche Stimme spricht dazu prima vista „Der Seherin Gesicht“ aus dem germanischen Schöpfungsmythos, der „Edda“. Der langsam gesprochene Text erscheint „frisch“, wie neu, als würde er gerade erst „er-funden“. Dies parallel zum Bild, denn die jeweils am Horizont auftauchenden, von den Autobahnen zerteilten Kompartimente der Landschaft (sie sind wie die Karten oder Steine eines Spiels nach Strommasten, Atomkraftwerken, Hochhäusern usw. sortiert), werden per Zufallsgenerator ausgewählt und beim Erscheinen immer neu kombiniert. Die (virtuelle) Welt, über die die beiden Raben fliegen, entsteht somit in jedem Augenblick neu, begleitet von den Worten des Mythos der Erschaffung der Welt – eine Art „Computer-Schöpfungsspiel“.
Mittels eines Interface‘ in Form eines Kissens kann der Betrachter in das Geschehen eingreifen und den Flug der Vögel steuern. Er ist selbst Teil des Spiels, ist an der Konstruktion der Bildwelt beteiligt, die er sieht, und es ergeben sich stets neue Bezüge zwischen Text und Bild. Die grundsätzliche Diskrepanz zwischen der vom Computer generierten Industrielandschaft und der im rezitierten Text evozierten Erschaffung der Welt wird immer wieder aufgehoben, etwa wenn von Gift die Rede ist, das „durch das Dach träuft“ während die Raben eine Ölfabrik überfliegen. Der Schöpfungsmythos der Edda wird dadurch auf das Bild hin aktualisiert und Teil einer großen Metapher über die grundsätzliche Frage nach Konstruktion von Realität in einer Welt, die sich längst nicht mehr, „authentisch“ erfahren lässt, sondern über ein breites Spektrum von technischen Vermittlungswerkzeugen an unsere Sinne dringt. Die beiden Vögel, gedeutet als die Raben Odins mit den Namen „Erinnerung“ und „Gedanke“ (Odin bekam sie im Tausch für ein Auge), werfen in ihrer Funktion als Avatare des Betrachters außerdem die Frage nach der Rolle seiner eigenen Erinnerungsbilder, seiner kulturellen und sozialen Vorprägungen und Klischees im Prozess des Begreifens von Realität auf.
Ähnliche Wege gehen Hörner/Antlfinger auch in „They Read / Sie Lesen“, ihrer jüngsten Arbeit im öffentlichen Raum. Text wird hier allerdings nicht mit einer virtuellen Bildwelt „verschränkt“, sondern mit dem konkreten sozialen Umfeld, dem Stadtraum. Im Zuge des Heidenheimer Bildhauersymposiums „Werk 04“ brachte das Künstlerpaar an 14 öffentlichen Orten LCD-Displays an, auf denen zunächst gar nichts zu erkennen ist. Erst mit Hilfe einer „UBIK-Brille“ [5], die man an verschiedenen Orten in der Stadt erwerben kann, ist es möglich, auf den Bildschirmen etwas wahrzunehmen: Es sind Zitate aus Kunst, Literatur und Philosophie, die Fragen der Wahrnehmung und der Konstruktion von Wirklichkeit zum Gegenstand haben. Die Positionen reichen von André Bretons surrealistischem Manifest bis zu Lewis Carrolls „Alice hinter den Spiegeln“, von Gilles Deleuzes und Félix Guattaris „Tausend Plateaus“ bis zu Heinz von Foersters „Wahrheit ist die Erfindung eines Lügners“.
Da die Texte täglich von Ort zu Ort weiterrücken, ergeben sich – ähnlich wie bei „Infinite Land“ – immer neue Bezüge und Zusammenhänge. In den Vitrinen des Rathauses nimmt sich etwa Martin Kippenbergers Bildtitel „Ich kann beim besten Willen kein Hakenkreuz entdecken“ völlig anders aus und erweckt andere Assoziationen als vor dem Kunstmuseum. Das Umfeld gibt dem Text eine neue Bedeutung, der Text dem Umfeld. Und die jeweils entstehenden Bezüge bleiben in ständiger Bewegung, wie der Betrachter, der – mit der Spezialbrille ausgestattet – in einer Art Entdeckungsspiel die Stadt neu sehen lernt.
Wird in „Infinite Land“ die grundsätzliche Frage nach der Konstruktion von Realität in einer Welt thematisiert, die nur noch technisch oder kulturell vermittelt an den Menschen dringt, steht in „They Read / Sie Lesen“ die Konstruktion der sozialen Wirklichkeit im Mittelpunkt, die im Betrachtungsprozess stets neu vollzogen wird. Auf dem Faltblatt zur „UBIK-Brille“ von „They Read / Sie Lesen“ formulieren Hörner/Antlfinger denn auch: „Anfangs konnten wir nur die Texte auf den Übungstafeln lesen. Aber schon nach weniger als einer Woche begannen wir mit der UBIK-BRILLE Dinge in unserer Umwelt wahrzunehmen, die uns zuvor verborgen waren. Wenn es so weitergeht, werden wir bald auch ohne Hilfsmittel alles klar erkennen können.“ Wenn Ute Hörner und Mathias Antlfinger auch selbst am allerbesten wissen, dass die hier formulierte Hoffnung eine Utopie bleiben muss, spricht sich darin doch die geheime Sehnsucht des Menschen nach Authentizität aus, der Wunsch, die Welt ohne technische Apparaturen und frei von kulturellen Stereotypen erfassen zu können. Vielleicht bezieht sich hierauf auch die eigentümliche Tristesse des Avatare-Spaziergangs vom Beginn unserer Betrachtungen. Indem jedoch in den jüngsten Arbeiten von Hörner/Antlfinger Neuerschaffung und Wahrnehmung von Wirklichkeit in der Betrachtung zusammenfallen, wird zumindest für diesen kurzen ästhetischen Augenblick die Utopie der Authentizität Realität.
[1] Aus: Heinrich von Kleist, „Über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden“ in Sämtliche Werke, Band 3, hg. von Klaus Müller-Saglet, Frankfurt am Main 1990, p. 535.
[2] Annette Tietenberg, „Von Menschen, Märchen und Medien oder Wer ist die schönste im ganzen Land?“, in: Hörner & Antlfinger, Two Lives. Dialogues, S. 9.
[3] a.a.O., S. 10.
[4] a.a.O., S. 6.
[5] Der Begriff „UBIK“ entstammt Philip K. Dicks gleichnamigem, 1966 erschienen phantastischen Roman. Der Titel der Arbeit „They Read / Sie Lesen“ nimmt auf John Carpenters Science-Fiction-Film „They Live / Sie Leben“ (1988) Bezug, in welchem dem Protagonisten John Nada eine Spezialbrille in die Hände fällt. Sie lässt ihn erkennen, dass die Oberflächen der scheinbar realen Welt nur zur Tarnung einer wahren, schwarzweißen Oberfläche dienen: Die Welt wird von Außerirdischen regiert und ist voller (schriftlicher) Befehle und Anordnungen an das menschliche Unterbewußtsein.