Ausstellungsansicht "The Chinese Room", NGBK Berlin

Ausstellungsansicht „The Chinese Room“, NGBK Berlin

Die Bücher des Einbildners

Die Bücher des Einbildners

Ausstellungsansicht, ZKM Karlsruhe

Ausstellungsansicht, ZKM Karlsruhe

“Two Lives? A Debate” basiert auf E-mail-Interviews mit KünstlerInnen und WissenschaftlerInnen, deren Alltag und Arbeit wesentlich durch den Umgang mit dem Computer bestimmt sind. Unsere Recherche verfolgte den Zweck, etwas über das spezifische Verhältnis dieses Personenkreises zu Maschinen zu erfahren. Welche individuellen und gesellschaftlichen Veränderungen, so wollten wir wissen, gingen nach Einschätzung der angesprochenen KünstlerInnen und WissenschaftlerInnen mit dem Eintritt in das Computerzeitalter einher? Aus der Perspektive der Produzenten – wir arbeiteten seit zehn Jahren mit Computern – stießen wir auf Fragen, die oft nicht leicht zu beantworten sind, weil sich eine Vielzahl von Veränderungen, ob sie nun das Verhältnis zur Maschine oder den Subjektbegriff betreffen, nur schleichend vollziehen und kaum konkret zu benennen sind.

Andere Themenkreise wiederum reflektieren generell die technologischen und kommerziellen Grundbedingungen aktueller künstlerischer oder wissenschaftlicher Tätigkeit: “Kann man mit einem Gerät, das so viel vorgibt, überhaupt Kunst machen?” oder “Wie frei kann man agieren, wenn die Realisierung der eigenen Arbeit von der Höhe des verfügbaren Kapitals und vom Entwicklungsstand des Equipments abhängt?” Auf Fragen nach einem zu konstatierenden sozialen Wandel reagierten viele Teilnehmer nur sehr zögerlich – oder zumindest ganz anders, als vorauszuahnen war. Angesprochen auf die “neuen Gewinner und Verlierer”, entwickelte beispielweise Richard Wallace ein Szenario in dem Chatterbots, einfache KI’ s, bald die Plätze der Menschen einnehmen könnten, während unsere Frage auf mögliche sozialgenetische Sprünge bzw. auf den Prozess der Dequalifizierung abgezielt hatte.

Die Auswahl der Interviewpartner ist durchweg persönlich motiviert. Mit allen Befragten verbindet uns eine gemeinsame Geschichte, oder wir wurden von einer bestimmten Erwartungshaltung geleitet. Ursula Damm blickt wie wir auf eine “analoge Vergangenheit” zurück. Von dem Moment an, in dem sie in die Computerwelt eintauchte, war sie von dieser Arbeit fasziniert, ja leidenschaftlich involviert. Nun unternimmt sie nichts mehr ohne ihren Computer. Michael Kügler hat schon während seines Studiums der Bildhauerei Skulpturen gebaut, die aussahen, als seien sie mit einem 3-D-Programm erstellt worden. Später ist er in die Computerbranche übergewechselt, zu einem Unternehmen, das CAD-Software für Architekten entwickelt. Die Kunst hat er dafür an den Nagel gehängt. Andrea Fuchs studierte Malerei. Um ihrem Interesse an elektronischen Medien eine fundierte Basis zu geben, absolvierte sie anschließend ein Informatikstudium in Berlin. Ihr ist es gelungen, zwei Lebensformen zu vereinen: als Künstlerin wie als Spezialistin im Bereich der Informatik. Tomoko Mukai hat zur gleichen Zeit wie wir im Computerlabor der Kunsthochschule für Medien in Köln gearbeitet.

Viele Nächte saßen wir gemeinsam vor den Geräten. Wir erlitten Nervenzusammenbrüche, massierten uns gegenseitig und tranken Unmengen heißen Tee. Suzanne Treister lernten wir im letzten Jahr bei der Vorstellung ihrer CD-ROM “Time traveling with Rosalind Brodsky” auf der Videonale in Bonn kennen. Ein Gespräch mit ihr – über “ihr Leben davor”, als sie noch Malerin und Teil der London-Art-Scene war, und über “ihr Leben danach”, das von ihrer Position innerhalb der australischen CD-ROM-Szene geprägt ist, war mit ein Auslöser für diese Arbeit. Lynn Hershmans frühe interaktive Arbeiten “Lorna” und “Deep Contact” zählen für uns zu den wichtigsten Begegnungen mit diesem Medium. Uns beeindruckte vor allem die Art und Weise, mit der sie technisches Know-how mit künstlerischen Inhalten zu verbinden versteht.

Naoko Tosas Arbeit “Romeo and Julia in Hades” und ihr Vortrag auf der Transmediale in Berlin stellte für uns ein Schlüsselerlebnis dar und weckte unser Interesse an japanischer Computerkultur. Hier wurde nicht mehr und nicht weniger erträumt, als in der Kommunikation mit dem Computer “Satori” – die höchste Stufe der Erkenntnis – zu erlangen. Marie-Luise Weber gehört zur ersten Generation von StudentInnen, mit denen wir an der Hochschule für Kunst und Design in Halle arbeiteten. Ihre Bereitschaft, voll und ganz in der künstlichen Welt des Computerlabors abzutauchen und ihr Sinn für Humor haben uns besonders beeindruckt. Dr. Richard Wallace, Entwickler und Botmaster von A.L.I.C.E, (Artificial Linguistic Internet Computer Entity), hat uns mit seiner Software den Weg in die Programmierung von AIs eröffnet und so eine neue Art von Erzählung möglich gemacht. Last but not least möchten wir Keith Seward und Eric Swenson erwähnen, zwei Cyberpunks aus New York, deren CD-ROM “Blam!3″ und ihre Antworten auf unsere Fragen der Vorstellung von einer demokratischen Computerwelt eine Absage erteilen.

Statistische Korrektheit, exemplarische Auswahl oder Vollständigkeit waren nicht unser Ziel. Trotzdem scheint im Nebeneinander der heterogenen Statements etwas Repräsentatives auf. Es entsteht der Eindruck, als habe man einen Schnitt durch die Generationen, Nationen und Geschlechter vor sich. Allerdings befinden sich alle Personen, die wir befragten, in einer mehr oder weniger priviligierten beruflichen Situation. Besonders bewusst wurde uns dies, als wir die schon fast altmodisch klingende Frage “Sind Computer Jobkiller?” stellten. Die Antworten lauteten stets “Nein” oder zumindest “Ja, aber”. Ein Ergebnis, das neuere Untersuchungen durchaus in Zweifel ziehen. Denn auf breiter Ebene wird die Informationstechnologie eben leider nicht innovativ, sondern vor allem rationalisierend eingesetzt. Und auch der Glaube daran, dass nur die miesen Jobs wegfallen, dürfte bitter enttäuscht werden. Bei den Texten handelt es sich um Auszüge. Manches musste gekürzt, manches weggelassen werden. Wir haben uns darum bemüht, dennoch ein relativ vollständiges Bild zu entwerfen und möchten an dieser Stelle noch einmal allen Beteiligten unseren herzlichen Dank aussprechen.

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