Installationsansicht, Museum Ludwig, Köln

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Ausschnitt aus der Diskussion – Auflösung der Widersprüche […]

Hund: Was ich mich immer frage ist, warum ich doch immer wieder so’n Bedürfnis nach ’nem Fun-dament hab, von dem aus ich alles aufbauen könnte, meine ganzen Handlungen. Dass ich sagen könnte: „So ist’s richtig, so wird’s gemacht.“ Will auch gar nicht sagen für alle, nur für mich. Aber schon das scheitert. Eigentlich sollte mir doch klar sein, dass es dieses widerspruchsfreie Leben nicht mehr gibt.

Mädchen: Na, die Kehrseite ist eben so ein mieser Pluralismus, in dem keiner verbindlich für irgend‘ne Überzeugung einstehen will. Mrs. Spock: Vielleicht findest du das auch angenehm, die vielen keinen Widersprüche, mit denen alles in der Schwebe gehalten wird. Da entsteht so ein wunderbar ausgeglichener Zustand des „reinen Betrachtens“.

Arbeiter: Aber was ist, wenn dir dieser Zustand missfällt, weil er nicht zu deinem Vorteil ist? Dann sagt Mao Tse Tung, …

Hund: Was willste mit der alten Socke?

Arbeiter: … dass es eine Hierarchie von Widersprüchen gibt und dass es wenig Sinn macht, sich an der niedrigsten Kategorie von Widersprüchen abzuarbeiten, wenn der kardinale Widerspruch an sich nicht angetastet wird. Alles, was dabei rauskommt, ist ein undurchdringlicher Nebel, in dem man nichts entscheiden kann.

Hund: (mault leise weiter) Der hat Millionen auf’m Gewissen mit dem Gewäsch.

Mädchen: Lass doch mal. (Dann zum Arbeiter gewandt) Du meinst, man könnte diesen kardinalen Widerspruch finden? Das wäre ja die Frage, was könnte das bei uns sein? Gibt ja ’ne Menge, könnt’ ich spontan auf-zäh-len, was mir alles einfällt. Trotzdem hab ich bei vielem das Gefühl – so bei manchen Sachen, hab ich auch schon nachgelassen mich darüber aufzuregen. Zum Beispiel: Soll ich lieber meine künstlerische Arbeit machen, oder soll ich mir lieber ’nen gut bezahlten Job in ’ner Agentur suchen?

Hund: Aber für richtige Künstler ist das doch der kardinale Widerspruch. „Kunst ist die bessere Seite der Existenz.“ Wenn du schon Geld brauchst, dann schon lieber Briefe austragen oder Taxifahren, irgendwas, was nichts mit Kunst zu tun hat.

Mrs. Spock: Jetzt lasst uns doch mal diese dialektische Methode versuchen.

Hund, Arbeiter: Genau, in Ordnung.

Mrs. Spock: Auf der einen Seite ist das Kunstsystem, auf der andern Seite das „Alles-Andere-System“. Als erstes müssen wir die beiden Systeme für sich betrachten. Im Kunstsystem, gibt es da Widersprüche? (Hund und Arbeiter sinken zusammen) Ja, trotz des edlen Produkts Kunst ist das ganze Umfeld von Neid und Missgunst erfüllt. Profilneurosen und Konkurrenzstreitigkeiten machen dir das Leben zur Hölle. Dann sehen wir uns mal eine Werbeagentur an: Die Verhältnisse sind klarer, du weißt, was von dir erwartet wird und was du dafür bekommst. Die Kriterien sind einsichtig. Deine Arbeit wird anerkannt und gebraucht, und das ist angenehm. Leider ganz im Widerspruch zu den Produkten, an denen du arbeitest.

Arbeiter: Na ja, ist damit zu rechtfertigen, dass man dann beides macht, wenn beides in sich schon faul ist? Oder ist es dann egal, welches von beidem man macht? Mädchen: Ja, das wäre eine Schlussfolgerung, aber ich würde sagen: Es kommt gar nicht auf die Entscheidung Kunst-oder-Werbung an, sondern darauf, seine Integrität zu wahren.

Arbeiter: Edel, edel, du entscheidest also ganz persönlich, was richtig und was falsch ist und wirfst nebenbei den anderen vor, dass sie opportunistisch sind. Aber so ’ne verfeinerte Sicht kann sich nicht jeder leisten. Die Nachteile muss man erstmal aushalten können.

Mrs. Spock: Ich weiß nicht, ob es ein Nachteil ist, die Konsequenzen zu ziehen. Ich meine, für uns hier ist es bereits nachteilig, ohne dass wir besonders konsequent sind. Wir tun nichts dagegen, aber wir tun auch nichts dafür. So kommt man auch nicht voran. Eine Grund-maxime könnte ja sein: Ja, bitteschön, wenigstens aufrichtig – die Karten auf den Tisch legen.

Mädchen: Aber sagen wir mal, ich hab ’ne wichtige Botschaft, (Arbeiter und Hund lachen) ja könnt ja sein. Dann bleibt mir als Künstlerin unter Umständen nichts anders übrig, als mit Leuten zusammenzuarbeiten, die ich für inkompetent und korrupt halte, wenn ich will, dass meine Botschaft gehört wird und …

Hund: ‘Ne gute Arbeit wird dadurch hinfällig. Ich weiß sowieso nicht, ob in der Kunstwelt irgendjemand etwas für einen anderen tut. Dass du persönlich was für dich willst, ist an sich nicht verwerflich. Nur wenn du den anderen weismachen willst, „Ich mach’s gar nicht wegen mir, sondern wegen der guten Sache“, das ist mies. Will ich nur vorankommen, koste es, was es wolle, dann kann ich alles machen, morden oder die Oma verkaufen … […]

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