Wenn Künstler sich mit der Zukunft beschäftigen, blicken sie nicht nur nach vorn, sondern reisen auch in die Vergangenheit, wo oftmals Zukunftsvisionen zu finden sind. Ute Hörner und Mathias Antlfinger haben sogar eine künstlerische Methode des Zeitreisens entwickelt und arbeiten seit 2005 in ihren Zeitreise-Experimenten mit verschiedenen Teilnehmern zusammen.

Das Video „Every Day, in Every Way I’m Getting Better and Better“ ist im Rahmen eines solchen Zeitreise-Projekts 2016 in Sarajevo entstanden. Hörner/Antlfinger interpretieren eine Szene aus dem bosnischen Coming-of-Age-Kultfilm „Erinnerst Du Dich, Dolly Bell“ neu. Das Erstlingswerk des renommierten Regisseurs Emir Kusturica aus dem Jahr 1981 spielt in den 1960ern in Sarajevo und ist gewissermaßen eine Liebeserklärung an die Stadt. Die Szene, in der der am Sterbebett liegende Vater des Filmhelden einen absurden pseudowissenschaftlichen Artikel über den angeblichen Fortschritt der Wissenschaft und Technik vorgelesen bekommt, wird in Hörner/Antlfingers Video als Puppenspiel reinszeniert.

Hier geht es um Zukunftsvisionen, die die junge jugoslawische Gesellschaft nach dem zweiten Weltkrieg genau wie der Filmheld Kusturicas in einem unerschütterlichen Glauben an die Macht der Wissenschaft und der Gestaltung durch (Selbst)optimierung entfaltet. Ein Thema, das heute, in unserer technisierten Gesellschaft, nach wie vor von großer Bedeutung ist. Aber haben solche Glaubenssätze auch heute Bedeutung in einer Stadt, die zwanzig Jahre nach dem Ende der sozialistischen Selbstverwaltungsutopie verschiedene Identitätsbilder (nationalistisch, religiös, nostalgisch, pro- und anti-westlich) parallel lebt und propagiert? Auch das öffentliche Bild des aus Sarajevo stammenden und international gefeierten Regisseurs Kusturica, der sich als orthodoxer Serbe inszenierte, wird inzwischen sehr kontrovers diskutiert.

Hörner/Antlfinger knüpfen an die Idee ihrer Zeitreise-Experimente an, „ein mögliches Selbst in einer möglichen Stadt“ zu eruieren. Sie lassen die Puppenspieler den Originaldialog aus dem Film auf Bosnisch vortragen und platzieren sie vor ein gut frequentiertes Café in Sarajevos Altstadt. Auch werden sie gut sichtbar ins Bild gerückt, wenn sie mit den von Hörner/Antlfinger aus weißem Stoff genähten Handpuppen agieren. Der Hase als ein wiederkehrendes visuelles Symbol spielt auch für die Andeutung verschiedener Zeitebenen im Video eine Rolle: Die zwei Stoffhasenpuppen waren in ihrer Eigenschaft als Alter Egos der Künstler bereits in einem früheren Videowerk zu sehen. Auch ist ein Hase das Haustier des Filmhelden Kusturicas, den er, im Glauben an die Möglichkeit der Veränderung der Welt durch Hypnose und nach Hinweisen aus einem Buch über „okkulte Geheimnisse“, versucht zu hypnotisieren. Utopische Zukunftsentwürfe aus einer vergangenen Zeit werden durch das Puppenspiel gleichzeitig von den Alter Egos des Künstlerduos (die Hasen) und den Bürgern Sarajevos (vertreten durch die Puppenspieler) wiedergegeben.

Manchmal kann der Glaube an den Fortschritt durch Autosuggestion verstärkt werden: „Every day in every way I’m getting better and better“ ist eine autosuggestive Übung des jungen Filmprotagonisten Kusturicas und zugleich das Titelmotiv, das Hörner/Antlfinger in ihrem Videowerk aufgreifen.

Darija Šimunović

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